Was ist Resilienz?

Warum gehen manche Menschen unbeschadet aus belastenden Lebensphasen hervor, wachsen sogar daran, während anderen dies nicht gelingt? Was macht diese Widerstandskraft in Krisen aus? Was sind Faktoren, die es möglich machen, trotz starker Belastungen gesund zu bleiben, Schicksalsschlägen, traumatischen Erfahrungen standzuhalten und daran sogar zu wachsen? Was macht einen resilienten Menschen aus? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt von Wissenschaftlern und Praktikern, die sich mit der Resilienz von Menschen auseinandersetzen.

Weil Resilienz noch nicht ausreichend erforscht ist, formuliert die Wissenschaft vorsichtig: Resilienz ist die Fähigkeit, die psychische Gesundheit während Widrigkeiten aufrechtzuerhalten bzw. danach schnell wiederherzustellen. Ausführlicher kann man Resilienz wie folgt definieren: Resilienz beschreibt die Entwicklung und Nutzung von Ressourcen und Potenzialen, die Menschen dazu befähigen, Niederlagen, Unglück, starke Stressbelastungen, Schicksalsschläge und traumatische Erfahrungen zu bewältigen und daran zu wachsen.

Die meisten Wissenschaftler sehen Resilienz nicht als angeborene Fähigkeit. Allerdings entsteht Resilienz durch einen komplexen Zusammenhang mehrerer Variablen. Einige davon – wie zum Beispiel Intelligenz – sind angeboren.

Unterschiede in der Widerstandskraft

Die psychische Widerstandskraft ist von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich ausgeprägt. Dem Einen ist der Jobwechsel erschreckend, angsteinflößend, während dies dem Anderen eine willkommene Herausforderung ist, die seinen Entdeckergeist anregt. Andere wiederum halten stand und stellen sich trotz großer Furcht der Herausforderung.

Eine 1977 veröffentlichte Langzeitstudie der Psychologin Emmy Werner gilt vielen als Beginn der Resilienz-Forschung. Über drei Jahrzehnte verfolgte sie den Werdegang von ca. 700 hawaiianischen Kindern. Etwa 230 der Kinder litten Hunger, wurden vernachlässigt oder misshandelt. Bei zwei Dritteln dieser 230 Kinder prägte diese Erfahrung das Erwachsenenalter. Bei einem Drittel jedoch war es anders. Diese Kinder überstanden den schweren Start ins Leben unbeschadet und führten als Erwachsene ein gedeihliches Leben. Sie waren resilient. Unterschiede in der Widerstandsfähigkeit zeigen sich also auch, wenn die Lebensbedingungen sich ähneln.

Resilienz als Prozess

Das Leibniz-Institut für Resilienzforschung an der Universität Mainz geht davon aus, dass Resilienz keine feste Eigenschaft ist. Die Wissenschaftler sprechen davon, dass durch Krisenbewältigung neue Stärken und Kompetenzen entstehen, die bis hin zu Veränderungen auf der Ebene der Genexpression gehen. Die Widerstandsfähigkeit ist demnach nicht einfach Unempfindlichkeit gegen Stress, sondern die Folge eines Anpassungsprozesses, der uns nachhaltig, bis zur Genexpression verändert. Das heißt, indem wir in kleineren Krisen bestehen und daraus lernen, entsteht die Resilienz für größere. Deshalb sehen manche Wissenschaftler Fragebögen, um Resilienz zu testen kritisch. Kann man bestimmen, wie gut jemand Ski läuft, ohne dass er oder sie auf Skiern steht?

Abbildung: Resilienz als Prozess

Was sind die Resilienz­faktoren?

Heute weiß man, dass Resilienz auf mehreren essenziellen Faktoren beruht. Manche sprechen von Säulen der Resilienz, andere von Wurzeln der Resilienz. Teilweise werden diese Faktoren unterschiedlich bezeichnet. Im Kern ist das Gleiche gemeint.

  1. Achtsamkeit
    Achtsamkeit ist die Haltung präsenter, freundlicher Bewusstheit im Hier und Jetzt. Es ist die Fähigkeit zum nicht wertenden Gewahrsein dessen, was sich im Inneren und im Äußeren zeigt.
  2. Optimismus
    Optimismus meint nicht die rosarote Brille. Gemeint ist ein zuversichtlicher Realismus, der die Dinge nicht schön redet, der jedoch die positive Seite in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stellt.
  3. Akzeptanz
    Akzeptanz meint: Das annehmen, was eh schon da ist. Ich sage ja zu dem, was schon da ist, gebe meinen Widerstand auf und nehme mich an mit meinen belastenden Emotionen – weil ich ein fühlendes Wesen bin.
  4. Selbstwirksamkeit
    Dieser Resilienzfaktor meint die Erwartung, den Glauben, mit den eigenen Fähigkeiten Dinge verändern zu können. Es ist die Überzeugung, das Leben aus eigener Kraft meistern zu können. Selbstwirksamkeit geht einher mit einer Haltung jenseits der Opferrolle.
  5. Beziehungspflege
    Beziehungspflege meint die Fähigkeit, ein tragendes soziales Netz aktiv zu gestalten und pflegen. Dieses Netz nährt und hält in Krisenzeiten. Dies meint auch, im Krisenfall um soziale Unterstützung zu bitten und sie anzunehmen.
  6. Kreatives Lösungsdenken
    Dieser Resilienzfaktor meint die Fähigkeit, im Krisenfall die Perspektive wechseln zu können, die Problem-Trance zu verlassen, kreative Lösungen auszuprobieren und das Nichtfunktionieren der Lösung als Lernerfahrung einzuordnen.
  7. Zielorientierung
    Zielorientierung meint die Fähigkeit, den Blick von der Vergangenheit auf die Gestaltung der Zukunft mithilfe von selbst gesetzten Zielen auszurichten. Ein wichtiger Aspekt hier relevanter Aspekt ist die Wirksamkeit von Zielen

Abbildung: Resilienz auf einen Blick

Was macht einen resilienten Menschen aus?

Wenn Resilienz als Erhaltung der physischen Gesundheit bei starken Stressoren verstanden wird, so steckt im Wort ‘stark’ die – häufig unbewusste – Bewertung von Stressoren durch Betroffene mit Blick auf das Überleben und essenzielle Bedürfnisse. Dies ist verknüpft mit der Bewertung der eigenen Fähigkeiten, mit den Folgen von Stressoren klar zu kommen. Hier kann man vom Bewertungsstil der Betroffenen sprechen. Die Forschungsergebnisse legen nahe, dass Menschen, deren Bewertungsstil in Bezug auf Stressoren und die eigenen Bewältigungsfähigkeiten realistisch positiv ist, eine höhere Wahrscheinlich besitzen, Krisen psychisch gesund zu überstehen. Die Resilienzfaktoren Optimismus und Selbstwirksamkeit sind deshalb hervorzuheben.

Hervorzuheben ist zudem der Resilienzfaktor Beziehungspflege. Denn man weiß heute zum Beispiel, dass das Vorhandensein einer verlässlichen Bezugsperson bei vernachlässigten oder misshandelten Kindern entscheidend für deren Resilienz ist.

Man kann also vereinfacht sagen: Resilientere Menschen glauben an sich, nehmen Stressoren nicht zu negativ wahr, verfügen über tragende soziale Kontakte und gehen bewusst (achtsam) durch ihr Leben.

Kann man Resilienz trainieren?

Grundsätzlich gilt, dass sich Resilienz – als das Erhalten der psychischen Gesundheit bei einer konkreten außergewöhnlichen Belastung – nicht vorhersagen lässt. Man weiß erst nach der Krise, ob man resilient war. In diesem Sinne kann man Resilienz nicht unmittelbar trainieren. Was man tun kann, ist die Faktoren zu stärken. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, in einer konkreten Krisensituation resilient zu sein, also psychisch gesund zu bleiben.

Folgt man den Wissenschaftlern des Leibniz-Instituts, führt das Üben von Resilienz in die Resilienz. Dabei steht der Vorsorgegedanke im Mittelpunkt, also das vorausschauende Üben zur Gesunderhaltung von Körper und Geist. Grundlage allen Resilienz-Trainings ist das Üben von Achtsamkeit. Diese Haltung, diese Fähigkeit zum nicht wertenden Gewahrsein dessen, was sich im Inneren und im Äußeren zeigt, lässt sich sehr gut im Auf und Ab des Alltags trainieren. Regelmäßige Achtsamkeitsmeditation schult diese Fähigkeit in besonderem Maß. Die Regelmäßigkeit ist hier essenziell.

Die mit der Achtsamkeit einhergehende Bewusstheit kann gezielt auf die anderen Faktoren angewandt werden, die dadurch gestärkt werden. Ist ein Mensch sich beispielsweise des Resilienzfaktors Zielorientierung bewusst, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er oder sie den Blick optimistisch auf die Zukunftsgestaltung richten kann. Jeder Resilienzfaktor lässt sich mit gezielten Übungen stärken. Ein Beispiel ist Reframing. Das kann man sich bildlich vorstellen. Versieht man ein Bild mit einem neuen Rahmen, ändert sich die Wahrnehmung des Bildes. Genauso kann man üben, Bedeutungszusammenhänge mit einem neuen Rahmen zu versehen und auf diese Weise neue Handlungsoptionen zu gewinnen. Dieses Üben stärkt den Faktor Lösungsorientierung.

Resilienz und Qigong

Qigong dient der Gesunderhaltung von Körper und Geist sowie der Entfaltung von Potenzialen. Qigong wird seit vielen Jahren sehr erfolgreich zum Selbstmanagement eingesetzt.

Selbstmanagement meint allgemein die Entwicklung von Fähigkeiten und das Wecken von Potenzialen, die für eine positive Lebensgestaltung förderlich sind. Grundlegende Fähigkeiten sind hier:

  1. Bewusstheit für den Körper mit seinen Haltungen, Empfindungen sowie für Gefühle, Emotionen, Gedanken, innere Bildern und Stimmungen
  2. Gewahrwerden von Bedürfnissen, Vorstellungen, Überzeugungen, Anschauungen sowie Verhaltens-, Wahrnehmungsmustern und verkörperter Erfahrungen
  3. Selbstregulation im Sinne von Bedürfnisausgleich und Veränderung emotionaler und kognitiver Zustände in belastenden Lebenssituationen

Die beim Qigong ausgeführten Figuren mit ihren inneren und äußeren Bewegungen, die damit verbundene Schulung der Aufmerksamkeit, die ganzheitlichen Erfahrungen von Kraft, Stabilität, Fließen, Gelassenheit, all das führt zu Veränderungen von neuronalen Netzen. Zum Beispiel erfahren Praktizierende beim ‘Schieben des Berges mit zwei Händen’, wie sie mit der Kraft ihrer Mitte Berge versetzen können. Beim Qigong können über den Körper ‘als ob Haltungen’ eingenommen werden, die eine neue, gelöste Körper- und Geisteshaltung ausdrücken, die in Krisenzeiten sehr hilfreich sein kann.

Mit gezielt gewählten Figuren und den damit einhergehenden inneren Bildern und Kognitionen können mit Qigong die Resilienzfaktoren trainiert werden.

Resilienz und Naturerfahrung

Die Natur bietet vielfältige Räume, um Resilienz zu stärken. Durch das Eintreten in diese Räume gelangen Gehirn und Körper schnell in einen Zustand von Weite, Leichtigkeit und Ausgeglichenheit. Innere und äußere Natur kommen zusammen. Gefühle, Empfindungen und innere Prozesse treten klarer hervor. Natur-Resilienz-Training ® wirkt so in besonderer Weise positiv auf die Resilienzfaktoren.

Resilienz und Coaching

Der Resilienzfaktor Beziehungspflege umfasst wesentlich die Bereitschaft, in Lebenskrisen um Hilfe zu bitten. Das kann bedeuten, Freunde zu involvieren oder ein Coaching in Anspruch zu nehmen. Im Coaching geht es darum, ausgehend vom Anliegen des Klienten, innere Ressourcen für die Krise zu aktivieren und nutzen. Jeder Resilienzfaktor bildet eine solche Ressource. Jeder Faktor kann im Coaching in den Mittelpunkt gestellt und aktiviert werden.

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