
Warum “Lass doch einfach los” nicht hilft –
Während Loslassen oft als einfach zu fassender Entschluss dargestellt wird, ist Loslassen in Wahrheit ein Prozess, der Geduld und Mitgefühl benötigt. Sicher kennst du das Gefühl, dass du etwas loslassen möchtest, es aber nicht gelingt? Ich möchte der Frage nachgehen, warum Loslassen nicht bloß eine Frage des Wollens ist und wie man es erleichtern kann.
Loslassen geschieht nicht auf Knopfdruck – genauso wenig wie Einschlafen. Es ist ein Prozess, der mit unserem Stresssystem (bestimmte Hirnareale, autonomes Nervensystem, Hormonsystem) und mit unserem Körper verbunden ist. Damit Loslassen geschehen kann, braucht es einen “inneren sicheren Ort”. Was bedeutet das genau?
Der sichere Ort und die Rolle des Stresssystems
Unser Stresssystem reguliert unsere Reaktionen auf Umweltreize, indem es den Reiz mit einer Bedrohungserwartung bewertet und aufgrund dieser Bewertung – vereinfacht gesagt – zwischen drei Zuständen wechselt:
- Sicherheit und Verbundenheit – Der Körper schaltet auf Entspannung im Hier und Jetzt. Loslassen wird möglich
- Überleben – Kampf oder Flucht – Der Körper bereitet sich vor, Anspannung dominiert. Loslassen ist mehr oder weniger blockiert.
- Überleben – Erstarrung oder Kollabieren – Der Körper geht in einen Schutzmodus über, ähnlich innerem Einfrieren oder vollständiger Abschaltung, Loslassen ist blockiert.
Ein innerer sicherer Ort entsteht, wenn das Stresssystem “ruhig” und der Körper im Zustand der Sicherheit ist. Das bedeutet, wir fühlen uns sowohl verbunden als auch sicher und sind im Körper zuhause. So lange die Bewertung des Thema, das wir Loslassen möchten jedoch dafür sorgt, dass das Stresssystem auf Überleben schaltet, ist Loslassen schwierig!
Ist der Körper sicher, sind neue Perspektiven möglich
Ist das Stresssystem ruhig, ist der Körper im sicheren Zustand und das Gedankengestöber hört auf. Das belastende Thema kann bearbeitet werden, d.h. bewusst als Erfahrung integriert werden. Dann ist es möglich, mit Fragen darauf zu schauen, wie: “Was kann ich daraus lernen und wie kann ich daran wachsen?” oder “Was hält mich im Vergangenen fest, und wie kann ich die Fesseln lösen und mit Neuem füllen?” Das Arbeiten mit diesen Fragen lässt uns fühlen, dass wir größer sind, als das belastende Thema.
Den sicheren Zustand kultivieren
Das Gefühl von Verbundenheit, Sicherheit und Getragensein können wir bewusst kultivieren. Hier sind Anregungen, wie du auf den Zustand der Sicherheit hinwirken kannst:
- Körpergetragene Achtsamkeitspraktiken, wie Qigong-Übungen, bei deren Ausführung Loslassen körperlich erfahrbar wird – z.B. die Übung Reguliere den Atem, beruhige den Geist
- Förderung sozialer Verbundenheit
- Selbstmitgefühl, zum Beispiel durch Meditationen, wie der Mettameditation
- Rituale, die Geborgenheit und Wärme vermitteln
- Naturerfahrungen, die das Gefühl von Erdung fördern
Fazit: Den Körper einladen, loszulassen
Loslassen ist kein willkürlich steuerbarer Akt, sondern ein neurophysiologisch verankerter Prozess. Indem du deinem Körper hilfst, in den Modus von Sicherheit und Verbundenheit zu gelangen, werden Akzeptanz und Loslassen gefördert. Hier kann Coaching, das den Körper aktiv einbezieht in wenigen Terminen wertvolle Unterstützung geben.